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Johannes Ring. Ein Ingolstädter Professor in nordischer Mission
von Gerd Treffer

Historische Blätter Ingolstadt - Jahrgang 14 - Ausgabe Nr. 142 vom 15.05.2024

Johannes Ring kommt im Januar 1674 in Tuse bei Holbaek auf der Dänen-Insel Seeland zur Welt.

Im Elternhaus protestantisch erzogen, erhält er seinen ersten Unterricht in der Heimat.

Vermutlich war die Familie nicht unvermögend.

Jedenfalls war es dem jungen Mann möglich, nach seinen Studien auf eine Reise nach Deutschland und Frankreich zu gehen. Danach möchte er auch Italien und Rom sehen.

Ein Schlüsselerlebnis seines Lebens wird ein Schiffsunglück auf der Rhône. Das Menologium, eine Schilderung der Lebensläufe herausragender Jesuiten seit Begründung des Ordens, schildert das Ereignis so: „Das Schiff, auf welchem er die Rhône hinab fuhr, verlor den rechten Kurs und strandete. Im Augenblick der Gefahr hörte er, wie ein frommer italienischer Kaufmann mit lauter Stimme sich dem Schutz und der Hülfe des Hl. Antonius empfahl. Mit lautem Gelächter glaubte er einen solchen Aberglauben beantworten zu müssen. Indes zu seinem Erstaunen rettete jener Kaufmann nicht bloß sein Leben, sondern auch sein Geld und seine Waren, während alle Übrigen kaum mit dem Leben davon kamen“. Wie das Menologium weiter festhält, machte „dieses Ereignis Eindruck auf sein Gemüt…. er begann nachzudenken und sich ernstlich mit seinem Seelenheil zu beschäftigen“.

Das wurde Anstoß zum Bekenntniswechsel, den er 1696 in Rom vollzog.

Im September dieses Jahres trat er in das Noviziat St. Andreae der Jesuiten ein.

Im Februar 1697 wechselte er – es heißt: aus gesundheitlichen Gründen – den Lebensort. Da, so schreibt der Berichterstatter des Menologiums, „die Sonnenhitze in Rom seiner Gesundheit wenig zuträglich war“, schickte man ihn in das Noviziat der Oberdeutschen Ordensprovinz. Er kam also nach Landsberg, wo er das Noviziat und die nachfolgenden Studien mit bestem Erfolg vollendete.

1698 nahm er sein Studium am Ingolstädter Kolleg auf (und erhielt 1699 in Eichstätt die niederen Weihen).

Bis 1701 dauerte sein Studium der Philosophie in Ingolstadt bis hin zum Abschluss als Magister in der Artistenfakultät.

Wie üblich hatte er dann selbst zu unterrichten. Das Gelernte sollte – Abtragung einer Ehrenschuld gegenüber der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, die die universitas auszeichnete – an die Neulinge weitergegeben werden.

Ring tat dies bis 1703 in Porrentruy, einer schweizerischen Gemeinde im Kanton Jura, die seit 1591 ein florierendes Jesuitenkolleg beherbergte, das allerdings im Dreißigjährigen Krieg zu leiden hatte.

1703 kehrt Ring nach Ingolstadt zurück, beginnt sein Theologiestudium am Ingolstädter Kolleg, allerdings ohne an der Universität immatrikuliert zu sein.

Als 1707 fertiger Theologe empfängt er die höheren Weihen in Eichstätt und beginnt ein unstetes, aber für einen damaligen Jesuiten mit professoraler Begabung nicht untypisches, Leben mit raschen Ortswechseln.

1707/1708 leistet er das Tertiat in Altötting ab.

1708/1709 ist er Professor der Logistik in Rottweil.

1709/1710 lehrte er das Fach in Regensburg, bis 1716 auch Mathematik.

1716 unterrichtet er Hebräisch an der Universität Ingolstadt.

1716/1717 wirkt er am Kolleg in Regensburg,

1717/1718 ist er Professor der Kontroverstheologie in Augsburg.

1719/1720 kommt er zurück ans Ingolstädter Kolleg, zuletzt wieder als Professor für Mathematik und Hebräisch.

1720/1721 ist er in Neuburg, 1721/1722 als Prinzenerzieher in Rastatt.

1722-1725 amtiert er als Professor für Moraltheologie in Landshut.

1725/1726 vertritt er dasselbe Lehrfach in Neuburg.

Bislang ist er also rasch, häufig Sack und Pack schnürend auf den Straßen im bayerischen, im süddeutschen Raum unterwegs. Er erfährt das Leben in den Niederlassungen der Oberdeutschen Provinz und er ist sicherlich eine Persönlichkeit, die man in diesen jesuitischen Stützpunkten kennt.

Das Menologium fasst diesen Zeitraum, in dem Ring den Lebensabschnitt vom fertigen aber jungen Mann zum Erwachsenen durchläuft, der, nach vielen Erfahrungen und mit breitem Wissen versehen, seine eigentliche Lebensaufgabe in Angriff nehmen muss, in den Sätzen zusammen: „Nachdem er Priester geworden, las er zunächst fünf Jahre Philosophie, vier weitere war er Studienpräfekt….“.
Nun, „endlich ging sein glühender Wunsch in Erfüllung: er wurde in die nordische Mission geschickt“.

1726 besinnt er sich – besinnen sich vielleicht vielmehr die Ordensoberen – auf seine Herkunft aus den nördlichen Gefilden. Bis 1731 geht er nach Norden.

Im Zuge der Reformation waren die meisten Bischofssitze in Norddeutschland und Skandinavien zum Erliegen gekommen. Die Gebiete, in denen der katholische Glauben nicht mehr öffentlich ausgeübt werden durfte, wurden als Nordische Mission bezeichnet.
1667 war ein „Apostolisches Vikariat der Nordischen Missionen“ gegründet worden, das die kirchenrechtliche und kirchenorganisatorische Autorität in diesen Regionen darstellte , aber verwirrend oft zwischen den verwaltenden Bistümern und zuständigen (Weih)Bischöfen verschoben wurde.

1709 waren die dänischen und schwedischen Gebiete (und die ehemaligen Bistümer Bremen – Hamburg, Lübeck und Schwerin) als Apostolisches Vikariat des Nordens zusammengefasst und wurden von den Osnabrücker oder Paderborner Weihbischöfen verwaltet.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts – Rings Zeit – zählte das Vikariat rund 2000 Katholiken, etwa 20 Missionsstationen, sechs Männer- und 10 Frauenklöster.

Die Seelsorge wurde vornehmlich von Ordenspriestern – Jesuiten, Dominikanern und Franziskanern – wahrgenommen.

Dorthin nun wollte Ring gehen: es war „Missions-Arbeit“, eine andere Form der Mission als sie – zeitlich parallel die großen China-Missionare wie Kaspar Castner, der große Verteidiger der Akkulturationsmethode der Jesuiten – versuchten.
Hier ging es nicht um wissenschaftliche Brillanz und den Dialog auf Augenhöhe mit der Hochkultur des Reichs der Mitte und um Dialogfähigkeit mit hochsophistizierten, gebildeten Mandarinen aus der Schule des Konfuzius.
Hier geht es – quasi auf eigenem, eigenständigem (kulturellem) Boden um „katholisch oder protestantisch“. – Trotzdem: „Mission“.

Zum Unterhalt der (Missions-) Stationen und Missionare bedurfte es der Spenden der Gemeindemitglieder, meist einmaliger oder zeitlich begrenzter Zuwendungen der Congregatio de Propaganda Fide; hinzu kamen (größere) private Stiftungen des Kaiserhauses, katholischer Adeliger…

Es ist nicht ungefährlich, nach Dänemark zu gehen.
Ring geht 1727 nach Kopenhagen – als Nachfolger des Pater Puriselli, als Kaplan des Kaiserlichen Gesandten, des Grafen Freitag. Er hält sich nicht lange.
Als, so das Menologium, „seine dänische Herkunft bekannt wurde, ward er von seinen Landsleuten als Abtrünniger verschrien und musste darum ein Jahr später „auf Wunsch des Gesandten“ den dänischen Hof verlassen.
Er zieht weiter nach Norden. 1729 bis 1731 ist er in Stockholm, arbeitet, soweit erkennbar noch offen (will sagen: nicht illegal im Untergrund), „mit grossem Eifer an der Bestärkung der wenigen Katholiken und an der Zurückführung der Irrenden“ – schon bald merkten (so die Überlieferung im Menologium) „die Irrlehrer die Verluste, die er ihnen zufügte“, das aber „erregte ihren Zorn, und durch allerlei Ränke brachten sie es dahin, dass er des Landes verwiesen wurde“.
1731 bis 1734 ist er am „Schwedischen Seminar“ in Linz zugange, dann zieht es ihn erneut nach Norden.


Ring „begibt sich heimlich nach Norwegen“. Es heißt, „um seine apostolische Tätigkeit fortzusetzen“. Nun allerdings geschieht dies im Untergrund, im Agenten-Stil. Es gelingt ihm, mehrere Jahre lang, sich den „allerwärts drohenden Nachstellungen zu entziehen“, letztlich aber fiel er „den Häschern in die Hände und wurde in einen unterirdischen Keller geworfen“. Gegen 300 Gulden Lösegeld teilte man ihm mit, wolle man ihn freigeben. Da er als Ordensmann nichts besitze, lehnte Ring dies ab. Der französische Gesandte verwandte sich für ihn, erwirkte seine Freilassung, unter der Bedingung allerdings, dass Ring das Land verlasse.

So kehrte Ring 1736 nach Süddeutschland zurück, in seine Ordensprovinz. Es war Rings „Zweite Heimkehr“. Man empfing ihn „mit aufrichtiger Freude“.

Es heißt, er sei betrübt gewesen, dass es ihm nicht vergönnt gewesen sei, sein Leben für den Glauben zu lassen. 1737 wird er Studienpräfekt und Spiritual in Amberg. Der Lebensbericht hält fest: „Während er sich in Amberg aufhielt, brach in dem französischen Heere, das in der dortigen Gegend stand, die Pest aus und griff reißend um sich. Sofort erbat er sich die Erlaubnis, den Kranken zu Hülfe zu eilen; und da er fast der einzige war, welcher geläufig französisch sprach, lag die ganze Last auf ihm. Etwa 1500 Soldaten starben…. Zuletzt ergriff auch ihn die Krankheit. Schon hatte er die hl. Sterbesakramente empfangen und jubelte, sein Leben für seine Brüder hingeben zu können, … da genaß er vollständig und lebte noch manche Jahre“.

Er bleibt Studienpräfekt und Spiritual in Amberg bis 1745.
Er wird dann Spiritual in Ingolstadt 1745 bis 1752,
kehrt 1752 nach Amberg zurück – weiß und will aber wohl, dass dies seine letzte Reise ist. Er stirbt am 14. Februar 1753 in Amberg.
Im Menologium heißt es: „56 Jahre hatte er im Orden verlebt, stets überaus streng gegen sich selbst, aber voll Liebe gegen andere…… Seinen Mitbrüdern galt er für ein Wunder von Tugend und Heiligkeit.


Siegfried Hofmann, der Rings Lebensgeschichte im Biographischen Lexikon der LMU nachzeichnet, betont, seine Bedeutung habe „nicht so sehr auf wissenschaftlichem Gebiet (gelegen), sondern in seinem überzeugten Handeln in den Nordischen Missionen“.
Das zeigt sich wohl auch daran, dass – für einen Professor und Lehrer in so vielen Stationen - völlig ungewöhnlich, nicht eine einzige Publikation von ihm verzeichnet ist.